Nachlese der zweiten Stunde (25. September 2020)
- Kriemhild Brüggemann
- 1. Okt. 2020
- 1 Min. Lesezeit
Évi bekommt Briefe von Zigi, obwohl er weiß, dass sie nicht lesen kann. Wenn der Postbote an ihr Tor kommt, um ihr den blauen Luftpostbrief auszuhändigen, nimmt sie ihn wie ein kostbares Geschenk entgegen. Sobald der Umschlag geöffnet auf ihrem schiefen Tisch liegt, bekommt ihr karger Wohnraum etwas Festliches. Ohne den Inhalt zu kennen, entwickelt sie sofort eine Nähe zu Zigi. Er hat ja das Papier berührt, an sie gedacht und die Worte für sie gefunden. Hat diese Nachricht eine Aura, die wärmen kann, die ihr die Tage hell machen, obwohl Zigi hinter „einem weiten Meer“ weilt? Es scheint ein Zauber auf den handgeschriebenen Zeilen zu liegen, der die empfängliche Évi noch tagelang in seinen Bann zieht. Kann diese gedankliche Beschäftigung die körperliche Abwesenheit kompensieren, oder ist sie nur ein Trostpflaster auf ihrer geschundenen Seele?
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