Nachlese der dritten Stunde (22. März 2024) – „Die Unschärfe der Welt“ von Iris Wolff
- Kriemhild Brüggemann
- 25. März 2024
- 1 Min. Lesezeit
Hannes Eltern Karline und Johann sind nun ein älteres Ehepaar, das jetzt oft in gemeinsames Schweigen versinkt. Ihnen ist sozusagen die Liebe abhanden gekommen, „wie anderen Leuten ein Stock oder Hut (Erich Kästner).“ Wie kann das sein? Kommt so etwas plötzlich? Oder ist es ein schleichender Prozess? Auf den ersten Blick ist nichts zu finden, was dafür eine Erklärung bietet. Doch beider Leben verlief nicht geradlinig. Seitdem das kommunistische Regime 1965 unter Nicolae Ceausescu die Macht übernommen hat, änderte sich Karlines und Johanns Leben komplett. Sie wurden enteignet. Fabrik, Villa, Ferienhaus gehörten nun dem Staat. Im Gegenzug bekamen sie eine sehr kleine Wohnung zugewiesen.
Engen beengte Verhältnisse nicht auch Geist und Seele ein? Karline flüchtet in Tagträume. Sie schwärmt von Michael I. und wünscht den Kommunismus zum Teufel. Johann wird dagegen immer stummer. Karline träumt sich auch in ihre Kindheit zurück, als ihr Vater noch die Fabrik für Schafwollwäsche betrieb. Immer wieder verbesserte er die Waschmaschine „Leviathan“, um die Schafwolle optimal zu pflegen. Hat hier der Begriff „Leviathan“ eine übergeordnete Bedeutung? (Leviathan ist mehrdeutig: als mythologisches Seeungeheuer in der Bibel, als staatstheoretische Schrift von Thomas Hobbes, als Titel diverser Romane und Erzählungen). Ist vielleicht„Leviathan“ auch verantwortlich für das Abhandenkommen der Liebe von Karline und Johann?
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